Grundsätze des Aktieninvestments IV- Der Einfluss der Zinsen auf die Aktienmärkte: Überlegen Sie für Ihr eigenes Verständnis selbst für sich: Würden Sie selbst noch Aktien von Ihrem Ersparten kaufen, wenn Sie 8% Zinsen für Ihr Geld erhalten könnten? Wenn ja, würden Sie bei 10% Zinsen für Festgeld Ihr Geld immer noch in Aktien anlegen- oder lieber in die sichere Festgeldvariante investieren? Ich könnte jetzt mit dem Zinssatz für Festgeld hypothetisch noch weiter nach oben gehen: 12%, 15%. Irgendwann werden Sie einmal sagen: Nein, wenn mir meine Bank diesen Zinssatz garantiert, dann investiere ich lieber in Festgeld/Anleihen als in Aktien, denn das Kursrisiko von Aktien besteht nun einmal immer. Ich kann also festhalten: Je höher die Zinsen für Anleihen/Festgeld liegt, desto eher werden Anleger in den sicheren Anleihehafen ausweichen und sich nicht für Aktien interessieren. Damit muss uns klar werden: Je höher der Zins ist, desto niedriger ist die Nachfrage nach Aktien- einfach weil Geld aus dem Markt genommen wird und in Anliehen investiert wird, das nicht mehr für den Aktienkauf zur Verfügung steht. Es ist einfach ein Schwund der Nachfrage da und damit der klassische Fall für fallende Aktienkurse. Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, der häufig unterschätzt wird: Für fast alle Unternehmen bedeuten höhere Zinsen höhere Kosten- die auf den Gewinn drücken: Denn fast alle Unternehmen besitzen Schulen- entweder in Form von Anleihen oder bei Banken als Kredite. Damit bedeuten steigende Zinsen für Unternehmen höhere Kosten und niedrigere Gewinne- und niedrigere Gewinne drücken in aller Regel ebenfalls auf den Aktienkurs. Mit diesen Überlegungen kann man festhalten, dass steigende Zinsen im Allgemeinen schlecht für die Aktienkursentwicklung sind. Perspektivisch bedeuteten steigende Zinsen fallende Aktienindizes und umgekehrt: Fallende Zinsen haben schon oft einen steigenden Aktienmarkt verursacht. Allgemein verinnerlichen wir: In Zeiten steigender Zinsen ist tendenziell mit einem fallenden Aktienmarkt zu rechnen. Niedrige Zinsen sind perspektivisch gut für Aktienkurse. Sollte man nun zu dem Zeitpunkt, an dem eine Notenbank zum ersten Mal einen Leitzinssatz erhöht, sofort alle Aktien verkaufen? Ich rate grundsätzlich von solchen Kurzschlusshandlungen ab. Aber wenn es über eine längere Zeit mehrfach Zinserhöhungen gegeben hat, dann sollte man sich fragen, ob man nicht zumindest Teile seines Aktieninvestments auf Anleihen umschichten sollte. Man steht also vor dem Problem, welche Aktien man tendenziell verkaufen sollte, wenn die Zinsen gestiegen sind. Wir überlegen nun also, welche Aktien durch steigende Zinsen am stärksten betroffen sind und welche Aktien verhältnismäßig ruhig bleiben sollten, trotz gestiegener Zinsen: Betrachten wir zwei Unternehmen, einmal eines, welches zum aktuellen Zeitpunkt keine oder nur geringe Gewinne erwirtschaftet, einfach weil es in einer Aufbauphase ist und die Produkte des Unternehmens noch entwickelt werden müssen. Erst in der fernen Zukunft, wenn die Produkte Marktreife besitzen, werden die Gewinne des Unternehmens sprudeln. Solche Unternehmen nennen sich „Wachstumsunternehmen“, einfach weil man davon ausgeht, dass die „Gewinne noch wachsen“ werden. Typische Beispiele sind häufig in der Biotechbranche oder in den Branchen KI oder ähnichem verwurzelt. (->Unternehmen „U2“) Demgegenüber betrachten wir ein „klassisches Unternehmen“, welches bereits in der Gewinnzone ist und ein Produkt vertreibt, das schon seit langem stabile Gewinne erwirtschaftet. (Unternehmen „U1“)

U1          
aktueller Kurs KGV Gewinn pro Aktie kumulierter Gewinn pro Aktie Gewinnwachstum pro Jahr  
100 10 10,00 10,00 0 Prozent
  Gewinn Jahr 1 10,00 20,00    
  Gewinn Jahr 2 10,00 30,00    
  Gewinn Jahr 3 10,00 40,00    
  Gewinn Jahr 4 10,00 50,00    
  Gewinn Jahr 5 10,00 60,00    
  Gewinn Jahr 6 10,00 70,00    
  Gewinn Jahr 7 10,00 80,00    
  Gewinn Jahr 8 10,00 90,00    
  Gewinn Jahr 9 10,00 100,00    
  Gewinn J 10 10,00 110,00    
  Gewinn J 11 10,00 120,00    
  Gewinn J 12 10,00 130,00    
  Gewinn J 13 10,00 140,00    
  Gewinn J 14 10,00 150,00    
  Gewinn J 15 10,00 160,00    
  Gewinn J 16 10,00 170,00    
  Gewinn J 17 10,00 180,00    
  Gewinn J 18 10,00 190,00    
  Gewinn J 19 10,00 200,00    
  Gewinn J 20 10,00 210,00    

Stellen wir demgegenüber ein Unternehmen U2, welches derzeit ein KGV von 40 besitzt, dem aber hohe Wachstumsraten für die Zukunft vorausgesagt werden, sagen wir, jährlich 20% Gewinnwachstum.Der Gewinn beträgt damit im Jahr 1 lediglich 2,5€, wächst aber jedes Jahr um 20%. Es ergibt sich folgende Tabelle:

G H I J L M N
  U2            
1 aktueller Kurs KGV Gewinn Gewinn pro Aktie kumulierter Gewinn pro Aktie Gewinnwachstum pro Jahr (%)    
2 100 40 2,50 2,50 20 0 0
3   Gewinn Jahr 1 3,00 5,50   0 0
4   Gewinn Jahr 2 3,60 9,10   0 0
5   Gewinn Jahr 3 4,32 13,42   0 0
6   Gewinn Jahr 4 5,18 18,60   0 0
7   Gewinn Jahr 5 6,22 24,82   0 0
8   Gewinn Jahr 6 7,46 32,29   0 0
9   Gewinn Jahr 7 8,96 41,25   0 0
10   Gewinn Jahr 8 10,75 52,00   G 0
11   Gewinn Jahr 9 12,90 64,90   G 0
12   Gewinn J 10 15,48 80,38   G 0
13   Gewinn J 11 18,58 98,95   G 0
14   Gewinn J 12 22,29 121,24   G 0
15   Gewinn J 13 26,75 147,99   G K
16   Gewinn J 14 32,10 180,09   G K
17   Gewinn J 15 38,52 218,61   G K
18   Gewinn J 16 46,22 264,83   G K
19   Gewinn J 17 55,47 320,29   G K
20   Gewinn J 18 66,56 386,85   G K
21   Gewinn J 19 79,87 466,72   G K
22   Gewinn J 20 95,84 562,56   G K

Wenn Sie die Zeile M beachten, er steht dort ein "G", wenn der Gewinn von U2 den Gewinn von U1 übertrifft.

In Zeile N steht eine "K", wenn der kumulierte Gewinn von U2 den von U1 übertrifft.

In unserem Fall wird der Gewinn im Jahr 10, der kumulierte gewinn im Jahr 15 übertroffen.

Ich ziehe in einem solchen Fall tendenziell U1 dem von U2 vor, denn 10 Jahre lang ein gEwinnwachstum von 20% zu erwirtschaften, das gelingt nur wenigen Unternehmen.

Sie können nun mit dem Tool "Gewinnwachstumsvergleich" ein wenig spielen, indem Sie das gEwinnwachstum oder das KGV verändern. Ich habe für mich die Regel aufgestellt, dass ich maximal ein KGV von 40 akzeptiere- und das auch nur in Nullzinsphasen!

 

Überlegen wir uns, wie hoch tendenziell der Kapitalbedarf der Unternehmen ist. Das klassische Unternehmen besitzen in der Regel einen geringen Kapitalbedarf. Es besitzt ja Produkte, die derzeit einen Gewinn abwerfen, Die Entwicklungskosten sind also gering. Wegen der langen Historie besitzt es auch viele Stammkunden, die die Produkte ohne langes Nachzudenken kaufen, die Werbekosten sind also häufig überschaubar. U1 hat bereits in der Vergangenheit häufig einen Großteil der Schulden mit den bereits erwirtschafteten getilgt. Allein aus dieser Sicht, dass die gestiegenen Zinsen in Zukunft nur gering auf die Gewinnentwicklung auswirken dürften macht ein solches U1 nur gering anfällig gegen Zinssteigerungen. Die aktuellen Gewinne, die erwirtschaftet werden, können sofort gewinnsteigernd reinvestiert werden. Wir haben also unmittelbar für die aktuellen Erträge einen Zinseszinseffekt, entweder im Unternehmen, sei es durch Aktienrückkäufe, Übernahmen oder eben als Dividenden, die an den Anleger ausgezahlt werden. U2 hingegen hat noch einen sehr großen Posten an Entwicklungskosten vor sich. Häufig ist das Produkt auch noch nicht marktreif oder es muss sich wegen starker Konkurrenz in dem boomenden Markt noch hohe Werbekosten durchsetzen. U2 besitzt also perspektivisch einen hohen Kapitalbedarf. In Zeiten hoher Zinsen verursacht dieser Kapitalbedarf hohe Kosten. Dazu kommt konträr zu U1: Die aktuellen erwirtschafteten Gewinne von U2 sind im Vergleich zu U1 gering- wenn sie überhaupt schon vorhanden sind. Geld für Aktienrückkäufe, Dividenden oder Aquisitionen steht nicht zur Verfügung, der Anleger muss darauf vertrauen, dass sich sein Investment erst in der Zukunft Gewinne abwirft. Sind die Zinsen niedrig, so sind die ausgebliebenen aktuellen Gewinne nicht so tragisch- man bekommt ja ohnehin kaum Zinsen auf Kapital. Bei einem hohen Zinsniveau entgeht hingegen dem Anleger viel mehr Geld: Das Geld, welches er aktuell erhalten würde, könnte zinsbringend schon heute angelegt werden- und langfristig entgeht damit dem Anleger durch den Zinseszinseffekt viel Geld. Aus diesen Gründen sind hohe Zinsen Gift für Unternehmen, denen man ein hohes KGV zugesteht, weil man hohe Wachstumsraten erwartet, wie bei U2. Demgegenüber entwickeln sich Unternehmen, die ein niedrigeres KGV besitzen und in der Regel eine Dividende ausschütten, zwar auch tendenziell negativ, aber in weitausgeringerem Maße. Sie bleiben i. d. R verhältnismäßig stabil.